Tooldiskussionen über den Onlineunterricht an Schulen

Wenn man heute, am zweiten Tag des Onlineunterrichts in BW, Twitter besucht oder Radio gehört hat, war ein Thema mit dabei: Der mehr oder weniger funktionierende Onlineunterricht an Schulen. Der SWR sieht ein “Moodle-Problem”, und auf Twitter hat jeder “Technikexperte” eine Meinung.

Einige der Forderungen und Schuldzuweisungen haben mich dann doch so stark irritiert, das ich mir ein paar Gedanken gemacht habe, was konstruktiv zu machen wäre. Wie immer gilt: Soziale Probleme löst man nicht allein durch Technik. Da ich aber einerseits von sozialen Problemen keine Ahnung habe, und in der Pandemie dann wohl doch etwas Technik notwendig ist, beschränke ich mich auf technische Aspekte.

Alles ging am 07. Januar los, als die BelWü die Lieferung Ihrer neuen Server verkündet hat. BelWü, das sind die, die Hochschulnetze in BW bauen, und auch im Rahmen der ersten Schulschließungen “über Nacht” enormes geleistet haben (vgl. 96. Arbeitsbericht, S15ff.). An dieser Stelle großen Respekt und vielen Dank an das BelWü-Team!

In den Kommentaren des Tweets ging es jedoch los mit der Diskussion: Warum man denn noch eigene Hardware (umgangssprachlich: Blech) braucht, es gibt doch “die Cloud”. Das würde ja auch alles viel besser skalieren und überhaupt.

Ja, die Cloud ist sinnvoll, für bestimmte Anwendungsfälle. Software, wie Moodle, die nicht direkt für die Cloud gedacht ist, funktioniert nicht auf magische Art total performant. Nebenher ist die Cloud auch noch relativ teuer.

In kurz: “Die Cloud” löst nicht auf magische Art alle Probleme. The Cloud

The Cloud, XKCD 908, CC BY-NC 2.5

Was also tun: Hierzu gibt es einen guten Thread auf Twitter. Kurz zusammengefasst: Selbst hosten ist durchaus sinnvoll. Wenn man dann noch die Software, also Moodle, optimiert, hat man ein langfristig sinnvolles System.

Und die Probleme? Da es vermutlich keine allzu lange Vorbereitung und eher wenig Ressourcen gab (politisches, kein technisches Problem), und dann alle SchülerInnen auf einmal das System nutzen wollen, ist es klar, das es Startschwierigkeiten geben kann. Das ist kein “gesundes Wachstum” mehr, wenn sich Montag um 8:00 alle SchülerInnen gleichzeitig anmelden, und das so vorher noch nie der Fall war.

Die Stimmen, die jetzt sagen, man solle doch einfach Zoom/Microsoft Teams/WebEx etc. nehmen, finde ich durchaus ärgerlich: Man löst das Problem nicht, sondern lagert es nur aus. Meistens in geschlossene Plattformen einzelner Konzerne. Nicht nur der Datenschutz ist problematisch: Will ich mich wirklich davon abhängig machen, das das Tool des Konzerns funktioniert? Keine Möglichkeit haben, etwas selbst weiterzuentwickeln? Keine Kontrolle über meine Anwendungen für Schulen haben? Wer im Dezember zu Bürozeiten versucht hat, WebEx zu nutzen, weiß, dass auch diese Tools durchaus wacklig sind. Noch dazu investiere ich nicht in die Zukunft, und baue Wissen über die Systeme auf, sondern habe “nur” laufende Kosten.

Dabei sind Ehrenamtliche in der Lage, große Videokonferenzsysteme zu betreiben. Freifunk Meet ist ein prominentes Beispiel. Sollte das dann nicht für Ministerien mit einem großen Budget problemlos machbar sein?

Mein Wunsch an die Politik, aber auch an alle anderen Beteiligten, wie LehrerInnen und SchülerInnen ist daher eindeutig: Es hilft uns nichts, das Problem mit den Tools der großen Konzerne zu erschlagen. Wir lösen das Problem nicht, wir verschieben es nur.

Wirkliche Digitalisierung können wir erreichen, wenn wir selbst Wissen aufbauen, und unsere Tools selbst gestalten: Moodle ist Open Source. Wenn alle Bundesländer, die ein Moodle betreiben, hier ein wenig in die Weiterentwicklung investieren, kann man gemeinsam enorm viel erreichen. Selbst die SchülerInnen selbst können bei Interesse mitmachen, und beispielsweise kleinere Bugs oder Features selbst fixen. Das gilt natürlich nicht nur für Moodle, sondern auch für Tools wie Jitsi, BigBlueButton, Nextcloud oder ähnliche.

Das, was die BelWü geleistet hat, ist aus meiner Sicht eine der besten Beispiele für gelungene IT-Projekte der öffentlichen Hand. Und so hätten wir dann wirklich digitale Souveränität und kämen als Gesellschaft weiter.